Kommentar zur Evaluation der Implementierung des Deutschfördermodells

Die längst überfällige Evaluation der Implementierung des Deutschfördermodells an den Schulen Österreichs wurde vom Bundesministerum für Bildung, Wissenschaft und Forschung Ende 2022 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht (hier nachzulesen).

Grundsätzlich bestätigt der Bericht unsere schon lange geäußerten Bedenken zur Unzulänglichkeit von MIKA-D resp. der gefährlichen Willkür in Zusammenhang mit dieser Form der Testung (hier nachzulesen) wie auch der Deutschförderkurse, die das Netzwerk abzuschaffen fordert (hier nachzulesen). Die Frage stellt sich nun, ob und wie die Politik auf diese Kritik reagieren wird, die von den meisten im Bildungsbereich tätigen Organisationen und Initiativen geteilt wird.

Wir werden mit Argusaugen auf die weiteren Entwicklungen schauen!

Veröffentlicht unter Interventionen, Stellungnahmen | Verschlagwortet mit , , , | Kommentare deaktiviert für Kommentar zur Evaluation der Implementierung des Deutschfördermodells

Vorträge der Tagung “Messen – Bewerten – Prüfen im Kontext von DaZ” auf Video

Rund 160 TeilnehmerInnen aus dem gesamten europäischen Raum trafen am 18. und 19. Februar 2022 mehr als 30 ausgewiesene ExpertInnen, um die Sinnhaftigkeit, Qualität und Funktion von Deutsch-als-Zweitsprache-Tests zu beleuchten.

Die Inputs der vier Keynote Speaker von Freitag können hier nachgesehen werden:
Anja Wildemann, Professorin an der Universität Koblenz/Landau, stellte in ihrem Vortrag über Bildungsgerechtigkeit fest, dass die gängigen Diagnoseverfahren nicht geeignet sind, mehrsprachige Kompetenzen abzubilden. Grundsätzlich sollten Diagnoseinstrumente nicht der Selektion und Ausgrenzung dienen.

Udo Ohm, Professor für Deutsch als Zweit- und Fremdsprache an der Universität Bielefeld zeigte die weitreichenden sozialen, bildungspraktischen und rechtlichen Folgen von Deutschtests auf, die nur vermeintlich objektiv seien und daher ethisch fragwürdig.

Marion Döll, HS-Professorin an der Pädagogischen Hochschule OÖ, thematisierte, wie kritisch die Regulierung von Zugängen anhand von Sprachtests sei: Der bildungspolitische Diskurs ist abgekoppelt vom wissenschaftlichen Diskurs zu Sprachtests.

Martin Reisigl, Diskursforscher an der Universität Wien, bezeichnete die Folgen von Deutschtests für SchülerInnen mit nicht-deutscher Erstsprache als unmittelbar und längerfristig „fatal“ und forderte ein, dass die Medien die Unverhältnismäßigkeit von Deutschtests stärker im Blick haben sollten.

Am Samstag wurde in Workshops zu 12 verschiedenen Themenbereichen gearbeitet.
Die Tagung wurde ausgerichtet vom Netzwerk SprachenRechte in Kooperation mit der Universität Wien, der KPH Wien/Krems und dem Österreichischen Verband für Deutsch als Fremdsprache/Zweitsprache.
Die wegweisenden Ergebnisse der hochkarätig besetzten Tagung wurden vom Netzwerk SprachenRechte in sechs konkreten Forderungen zusammengefasst.

Veröffentlicht unter Aktivitäten des Netzwerk-SR & seiner Mitglieder, Veranstaltungen, Videos | Verschlagwortet mit , | Kommentare deaktiviert für Vorträge der Tagung “Messen – Bewerten – Prüfen im Kontext von DaZ” auf Video

Forderungen zum Messen – Bewerten – Prüfen im Kontext Deutsch als Zweitsprache

An der Fachtagung Messen – Bewerten – Prüfen im Kontext Deutsch als Zweitsprache am 18. und 19. Februar 2022 haben 37 nationale und internationale Expert*innen mitgewirkt und über 160 Personen teilgenommen. Aktuelle bildungs- und sprachwissenschaftliche Perspektiven auf die Praxis der Sprachkompetenzfeststellungen wurden mit Praxiserfahrungen aus allen Bildungsstufen in Zusammenhang gebracht. Auf der Grundlage dieses Forschungs- und Erfahrungswissens wurde am Ende der Tagung vom Netzwerk SprachenRechte dieser Forderungskatalog formuliert.

1. Sprachentests und Sprachkompetenzen von der politischen Instrumentalisierung befreien.

Denn: Deutschtestungen (wie MIKA-D und Integrationsprüfungen) sollen nicht als Zugangstestungen missbraucht und mit existentiellen Konsequenzen (Aufenthalt, Familienzusammenführung, Staatsbürgerschaft, Sozialleistungen und Zugang zu Ausbildungen und Regelschulsystem) verbunden werden. In Testungen verpackte Selektionen/Diskriminierungen sollen nicht an Lehrende und Lernende delegiert werden. Strukturelle Schwächen des Bildungs- und Integrationssystems dürfen nicht Individuen zugeschrieben werden.

2. Vielfältige Migrationsrealitäten und diverse Bildungssprachen anerkennen.

Die Vorstellung von Migration als einmaliges Ereignis im Leben eines Menschen, auf das ein Prozess der Assimilation oder Rückkehr ins Herkunftsland folgt, ist realitätsfern und überkommen. In einer Gesellschaft, die durch vielfältige Migrationsrealitäten gekennzeichnet ist, kann Deutsch nicht die alleinige Bildungssprache sein.

3. Ausreichend Ressourcen schaffen und auf sorgsamen Umgang achten.

Ressourcenzuteilungen an Schulen sollen von Zuweisungstests (wie MIKA-D oder Schuleingangsscreening) entkoppelt werden. Finanzielle sowie personelle Ressourcen, die gegenwärtig in die Entwicklung von Zugangstestungen fließen, sollen für Forschung, Evaluation, sprachliche Förderung und ausreichend pädagogisches und sozialpsychologisches Personal umgewidmet werden.

4. Transparente, evaluierte und diskriminierungskritische Bildungsinstitutionen aufbauen.

Es braucht Transparenz in Bezug auf Inhalt, Ablauf und Konsequenzen der auf allen Ebenen des Bildungs-, Ausbildungs-, Fortbildungswesens eingesetzten Aufnahme-, Diagnose- und Beurteilungsverfahren. Qualität, Wirksamkeit und Folgen der eingesetzten Verfahren müssen regelmäßig unabhängig evaluiert werden. Andere Sprachen als Deutsch sollen in Zulassungsverfahren positiv anerkannt werden.

5. Partizipation als Grundprinzip des Bildungswesens verankern.

Alle Akteur*innen im Feld (Pädagog*innen, Lehrer*innen, Eltern, Schüler*innen, Teilnehmer*innen in der Erwachsenenbildung und Forschende) sollen mit ihren Erfahrungen und ihrer Expertise verstärkt einbezogen werden.

6. Förderdiagnostik entwickeln statt Selektion durch Testungen.

Auf allen Bildungsstufen (Kindergarten bis Erwachsenenbildung) gibt es den Wunsch nach Förderdiagnostik statt einem Selektionszwang durch Deutschtests. Gefordert wird die forschungsbasierte Entwicklung von alternativen, entwicklungsbegleitenden und flexiblen Diagnoseverfahren, die Mehrsprachigkeit einbeziehen.

Forderungskatalog zum Download

Veröffentlicht unter Aktivitäten des Netzwerk-SR & seiner Mitglieder, Interventionen, Stellungnahmen, Veranstaltungen | Verschlagwortet mit , | Kommentare deaktiviert für Forderungen zum Messen – Bewerten – Prüfen im Kontext Deutsch als Zweitsprache

Sprachtests und soziale Eingliederung

Im Rahmen der Tagung “Messen – Bewerten – Prüfen im Kontext von Deutsch als Zweitsprache”, die das Netzwerk SprachenRechte am 18.-19. Februar gemeinsam mit der Universität Wien und dem ÖDaF ausrichtet, werden Forscher*innen und Praktiker*innen die bestehenden Systeme von Standardisierung und Tests kritisch reflektieren.

Ein Artikel zur Frage “Fördern oder hindern Sprachtests die Integration?” ist bereits heute im Standard erschienen und kann unter folgendem Link nachgelesen werden:
https://www.derstandard.at/story/2000133384114/foerdern-oder-hindern-sprachtests-die-integration

Veröffentlicht unter Aktivitäten des Netzwerk-SR & seiner Mitglieder, Medienberichte, Veranstaltungen | Verschlagwortet mit , , | Kommentare deaktiviert für Sprachtests und soziale Eingliederung

Wertetest

Über Wirkung und mögliche unerwünschte Nebenwirkungen von Integrationstests im Aufenthaltsrecht informiert Sie das Netzwerk SprachenRechte:

Warnung: Dieses satirische Video soll dazu anregen, über den Sinn und Unsinn der im Rahmen der Integrationsverordnung vorgeschriebenen sogenannten Wertekurse nachzudenken. In einer diversen, demokratischen Gesellschaft gibt es keine Werte, auf die alle im Detail verpflichtet werden können und die sich in einfachen Formeln zusammenfassen lassen. Und auch die Vorstellung, dass alle Österreicher*innen über die „richtigen“, und alle Zugewanderten über gar keine oder die „falschen“ Werte verfügen, ist falsch. Werte werden im Zusammenleben der Menschen erfahren und können diskutiert, vereinbart und ausgehandelt, aber nicht einfach vorgeschrieben und geprüft werden – erst recht nicht in einer neuen Sprache.

Richtige Anwendung: Welche Formen und Werte unser Zusammenleben bestimmen, das ist von Mensch zu Mensch, von Familie zu Familie durchaus verschieden – in einer pluralistischen Demokratie dürfen Menschen sich verschieden verhalten, verschiedene Werte für wichtig halten, auch wenn es natürlich gesetzliche Bestimmungen für alle und gemeinsame Grundsätze wie die Achtung der Menschenrechte und der Menschenwürde, den gegenseitige Respekt, den Verzicht auf Diskriminierung u.ä. gibt.

Für Zugewanderte ist es wichtig, dass sie erfahren, wie die neue Gesellschaft „funktioniert“, welche Erwartungen auch ihnen gegenüber bestehen, was die Formen des respektvollen Umgangs miteinander, die Anerkennung der Rechte von Frauen oder von Kindern, die Bedeutung des Antirassismus betrifft und welche Grundregeln für ein Zusammenleben wichtig sind. Die Begriffe „Werte“/ „Wertekurse“ sind missverständlich. Vielleicht trifft der in Deutschland übliche Begriff „Orientierungskurse“ die Sache besser: An welche Spielregeln des Zusammenlebens kann man sich halten, damit dieses Zusammenleben gut funktioniert und wie lebt man unter Respektierung der Würde der anderen Menschen zusammen.

Damit man mit solchen „Werten“ vertraut wird und erkennt, was sie im Alltag bedeuten, braucht es zwei Dinge: Zum einen Gespräche, denn die Formen und Normen des Zusammenlebens sind nicht unveränderlich, sie verändern sich und hängen oft auch von der jeweiligen Situation ab. Diese Gespräche sollten also in einer Sprache stattfinden, die den Zugewanderten vertraut ist, in der sie sich differenziert informieren und debattieren können. Und zum zweiten braucht es die Gelegenheit der Teilnahme, denn was Menschenwürde, Gleichberechtigung, Verzicht auf Diskriminierung im Alltag bedeuten, das erlernt man nicht gut im Kurs, sondern das wird einem*einer im Zusammenleben vertraut.

Weitere Informationen:

ÖDaF-Mitteilungen (2018): Lehrer_innenbildung für Deutsch als Zweitsprache: Ausbildung – Fortbildung – Weiterbildung. Vol.34 (1). V&R Unipress. 

TAGUNG Messen – Bewerten – Prüfen im Kontext von Deutsch als Zweitsprache. 18. und 19.2.2022

Veröffentlicht unter Aktivitäten des Netzwerk-SR & seiner Mitglieder, Interventionen, Stellungnahmen, Videos | Verschlagwortet mit , | Kommentare deaktiviert für Wertetest